Kunst macht eine Landschaft verständlich
Vor knapp 100 Jahren begann südöstlich von Bitterfeld der Abbau von Braunkohle im Tagebau Goitzsche. Seitdem wurden hier 850 Millionen m3 Erde bewegt, 6 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Straßen verlegt und ein Fluss auf einer Länge von 7 Kilometern umgeleitet, um 315 Millionen Tonnen Braunkohle zu fördern.
Mit dem Beginn der Sanierung 1992 wurde der erste Schritt zur Gestaltung einer neuen hier bisher unbekannten Landschaft getan. Durch die Flutung ehemaliger Tagebaue entsteht eine Seenlandschaft, die durch die Zusammenarbeit von Bergleuten, Künstlern, Landschaftsarchitekten, Politiker und Bürger auf einer Fläche von 60 km2 das weltweit größte Landschaftskunstprojekt entstehen ließ. Ein ausgedehntes Wander- und Radwegesystem verbindet die Orte der Kunst als auch einzigartige Biotope.
Die hier entstandenen und noch im Laufe der nächsten Jahre entstehenden Kunstwerke nationaler und internationaler Künstler sollen dazu beitragen auch in der Neugestaltung der Landschaft Zeichen des Erinnerns zu setzen und zu erhalten.
Das Gesamtprojekt Kulturlandschaft
Mitte der 90erJahre wurde bei der Bildung der EXPO-Korrespondenzregion in Sachsen – Anhalt im Städtedreieck Dessau – Bitterfeld/Wolfen – Lutherstadt Wittenberg die Neugestaltung der Bergbaufolgelandschaft Goitzsche als eine der größten und bedeutendsten Aufgaben mit aufgenommen, dadurch auch die grundlegende Fragestellung für das spätere komplexe Großprojekt Kulturlandschaft Goitzsche: Wie gestaltet man diesen Landschaftsraum bei Bitterfeld, der Jahrzehnte Braunkohlebergbau in großen Tagebauen als bedeutenden Bestandteil der Vergangenheit dieser Region verkörpert?
1996 gründete die EXPO Sachsen-Anhalt GmbH die Kommission Kunst und Landschaft, für die sie Persönlichkeiten aus den Gebieten Kunst- und Kulturwissenschaft, bildende Kunst, Landschaftsarchitektur, Architektur und Bergbau um ihre Mitwirkung gebeten hatte.
Für die ab Anfang 1998 bevorstehende nächste Arbeitsphase, in der es um konkrete Konzepte für Teilräume und einzelne Gestaltungen sowie um die sich anschließenden ersten Schritte der Realisierung von Entwürfen in der Landschaft gehen würde, schien eine neue Form der Arbeit erforderlich: die Bildung des Kuratoriums, eines international besetzten Beratergremiums.
Die Haut
Wie bei einem Häutungsprozess wurde im Laufe vieler Jahre die Gestalt der Goitzschelandschaft mehrmals verändert. Mit dieser Thematik beschäftigt sich der Künstler Hartmut Renner aus Halle. Ihn interessiert insbesondere die sensible Wahrnehmung von Räumen und Strukturen, Landschaft wird zum Gegenstand von Kunst.
So erhält die Halbinsel im nördlichen Bereich eine „Patchworkhaut“. Etwa 30 farblich und vom Material her unterschiedliche Flächen sollen symbolisch an den Wandlungsprozess erinnern und „Bilder konservieren, wie sie die Goitzsche zeigte“.
Kahle Flächen kontrastieren mit bewachsenen, Baumgruppen und Sträucher erzeugen Wellen, eine Gleisschotterfläche reiht sich an typische Pflanzen dieser Landschaft, in einem Feld sind Schienen als Pfähle in den Boden gerammt, vor sich hinrostend, um an die Spuren des Bergbaus zu erinnern. Solche Bilder sollen den Blick für die Schönheit und Einzigartigkeit dieser Landschaft schärfen. Ergebnis menschlichen Handelns zwischen gestern und heute.
Die Agora
Die Agoren waren Volksversammlungen im alten Griechenland. Dazu dienten Plätze die meist von Säulen umschlossen waren. Die Römer nannten diese Plätze Forum, im Mittelalter und darüber hinaus fand das gesellige Leben auf Marktplätzen statt. Prof. Siegfried Knoll entwickelte die Idee für ein AGORA-Park-Konzept auf der Halbinsel Pouch. Die AGORA ist ein eigener Erlebnisort mit einer Vielzahl von denkbaren Schwerpunkten. Sport und Spiel, Kunst und Geschichte, Botanik und Erholung, Ruhe und Lautstärke.
Besucher des Parks sollen immer wieder Anregungen zum aktiven Mitgestalten des Geschehens erhalten. Die Mitte des AGORA-Parks als Veranstaltungsort ist eine Bühne mit einem Durchmesser von 142 Metern. Dieser zentrale Platz ist aus der Landschaft herausmodelliert und erhebt sich wie ein Amphitheater. Der Zuschauerbereich bietet über zwei Etagen Sitzplätze für 3800 Personen und ist seit dem Frühjahr 2001 eine Plattform für Veranstaltungen, wie Konzerte, Klanginstallationen, Theater und Film.